Ein Husarenmajor rebelliert

Aus Keili-Online
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Husarenmajor rebelliert

Im sonnigheißen Frühjahr 1809 ziehen 800 preußische Husaren durch deutsche Lande. Ihr Kommandeur: Ferdinand von Schill. Doch: Es sind R E B E L L E N - Partisanen und Guerilleros nach heutigen Begriffen. Sie werden verfolgt von Napoleons Truppen, geächtet wegen Ungehorsams von ihrem König Friedrich Wilhelm III., bedroht von Festungshaft, Standgericht, Galeerensklaverei ...

“ Ziehet die Sturmglocken  ! “
“ An die Deutschen ! “ - 4.5.1809
“ Meine in den Ketten eines fremden Volkes schmachtenden Brüder! Der Augenblick ist erschienen, wo Ihr die Fesseln abwerfen und eine Verfassungsbeschwerde wiedererhalten könnt, unter welcher Ihr seit Jahrhunderten glücklich lebtet  … Ermannt Euch, folgt meinem Winke, und wir sind, was wir ehemals waren! Ziehet die Sturmglocken! …
A U F      Z U      D E N     W A F F E N   ! “

Marschziel Stralsund

Bei Dodendorf treffen die Rebellen auf stärkere westfälische Verbände. Leutnant Stock reitet mit weißem Taschentuch an den Gegner heran, um ihn zur Abkehr von den Franzosen zu bewegen. Als er danach sein Pferd wendet, wird er rücklings erschossen. In diesem Augenblick gibt Schills ein Zeichen, und seine wütenden Reiterscharen preschen vor. Das erste Mal seit dem Auszug aus Berlin hauen, stechen und schießen

Deutsche auf Deutsche

Schills sticht eigenhändig feindliche Artilleristen nieder, schlägt die Westfalen in die Flucht, kann aber die hinter dem Dorf liegenden Franzosen nicht aus ihren Stellungen vertreiben. So endet der Kampf ohne Sieger und Besiegte. Zwölf Schillsche Offiziere und 70 Soldaten sind gefallen, Major von Lützow ist schwer verwundet. Die Freischar erobert Pulverwagen und Waffen und macht 160 Gefangene.

Kopfgeld

An diesem Gefechtstag, dem 5.5.1809, lässt König Jérôme in seinem Reich einen Steckbrief anschlagen. Darin bezeichnet er Schill als einen “ Piraten “ an der Spitze von “ bewaffneten Räuberbanden “ und befiehlt allen Militär - und Zivilbeamten, auf Schill Jagd zu machen, sich seiner tot oder lebendig zu bemächtigen und verspricht, “ daß demjenigen oder jenen, welche ihn arretieren und abliefern werden, die Summe von 10000 Franken bezahlt werden soll “...

Furage durch Gewalt

Sein Ziel heißt Stralsund. Rittmeister von Bornstedt und Alexander von Bothmer werden als Kuriere nach Hamburg entsandt. Sie sollen von hier aus Londons Regierung um Hilfe ersuchen und die britische Ostseeflotte zum Strelasund dirigieren. Doch noch ehe die Boten Hamburg in Richtung England verlassen können, ist es bereits zu spät … Von Rostock aus ordnet Schill am 23.5. die Räumung von Dömitz an. Dort haben die inzwischen angelangten französischen Truppen mit Kanonen und Haubitzen die Stadt in Brand geschossen. Schills Männer müssen sich zurückziehen. Bei Schill macht sich Unmut breit. Etliche Offiziere können nur mit letzter Überredung zum Bleiben bewegt werden. Der Husar Sommer, der sich einem Befehl widersetzt, wird ohne Standgericht erschossen. Erste Fälle von Plünderungen kommen vor. Selbst Schill wird immer maßloser.

Das Ende mit Schrecken

Mit 40 seiner schnellsten Reiter jagt Schill von Damgarten aus über die Landstraße nach Stralsund - einem Ende mit Schrecken entgegen. Als er an diesem 24.5. gegen zehn Uhr vormittags durch das offene Triebseer Tor prescht, besteht die französische Besatzung aus 160 ahnungslosen Artilleristen. Ihr Kommandeur Noël wird auf dem Neuen Markt gefangengenommen, wobei ihm der Jäger Landgraf das Kreuz der Ehrenlegion abreißt und darauf herumtrampelt. Dieses Schmach stachelt die Franzosen zur Rache an. Ein Kapitulationsunterhändler wird niedergemacht. In der Haackstraße errichten die Franzosen mit leichten Geschützen besetzte Barrikaden. Schills Männer sterben im Feuer der Kanoniere und Schützen. Dann erreicht eine Schillsche Ulanentruppe die Stadt. Ein wüstes Gemetzel nimmt seinen Lauf; Schills Männer gewinnen die Oberhand. Stralsund, Ausgangsbasis für den geplanten Kleinkrieg, ist in Schills Hand. Er kann in der Stadt, deren Festungswälle jedoch von den Franzosen geschleift worden waren, insgesamt 1500 Freischärler zusammenziehen. 350 Mann unter Sekondeleutnant Bärsch hatte er bereits von Warnemünde aus mit 19 Schiffen nach Rügen segeln lassen, um die Verbindung mit den Engländern aufzunehmen. Doch auf See ist keine britische Flagge zu entdecken. Während Schill fieberhaft die Festungsanlagen Stralsunds instand setzen lässt, naht ein 6000 köpfiges Heer: Holländer unter General Gratien und Dänen unter General von Ewald. Am Mittwoch, dem 31.5.1809, wölbt sich über der alten Stadt am Strelasund ein heiterer Himmel. Um acht Uhr dröhnen Trommeln und Fanfaren zum Alarm. Eine Stunde später kann eine feindliche Vorhut am Triebseer Tor zurückgeschlagen werden. Da weiß Schill noch nicht, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelt: Die Hauptmacht des Gegners zieht hinter einem schützenden Hügel zum nur schwach befestigten Knieper Tor. Dort erfolgt eine Kanonade der Feldgeschütze. Um halb eins beginnt der Sturmangriff. Ein erbitterter Straßenkampf, Mann gegen Mann, tobt durch die Stadt. Pardon wird nicht gegeben. Schill rast wie im Rausch von einer Kampfstelle zur nächsten. In der Knieper Straße schlägt er mit einem Säbelhieb dem holländischen Infanterieoberst Dollemann den Schädel ein. Er jagt über den Marktplatz, in die Külpstraße, ins Johanniskloster. Beim Galopp durch die Fährstraße trifft ihn eine holländische Kugel in den Kopf …

“ Schill war kein Räuber “

Gegen zwei Uhr war der Kampf zu Ende. 400 Rebellen lebten nicht mehr. 195 Schillsche Reiter und 230 Infanteristen mit 29 Offizieren erhielten von General Gratien freien Abzug. 557 Mann gingen in die Gefangenschaft. 14 Freischärler starben im Juli 1809 in Braunschweig im Feuer von Hinrichtungskommandos. Die übrigen wurden in Ketten aneinandergeschmiedet nach Frankreich zur Galeerensklaverei geschleppt. Elf weitere Offiziere kamen vor ein napoleonisches Kriegsgericht. Wegen “ brigandage “ - Straßenräuberei - verurteilt, starben sie am 16.9. um ein Uhr mittags auf einer Wiese an der Lippe, unweit von Wesel, von den Kugeln des Exekutionskommandos getroffen. Ihr letzter Ruf:

“ Es lebe unser König! Preußen hoch! “

Schills Leiche war in Stralsund unter dem Jubel der Holländer bis aufs Hemd ausgeplündert und dann zum Rathaus geschafft worden. General Gratien fand sie auf einer Fleischerbank liegend und ließ Zeugen zur Identifizierung des Toten holen. Dabei soll er gesagt haben:

“ Schill ne fut  pas brigand, Il fut héros! “ -
Schill war kein Räuber, Er war ein Held!

Die Zeugenaussagen bleiben widersprüchlich. Manche zögern, andere schlottern vor Angst. Von vielen Hieb - und Streifwunden ist die Rede, eine klaffende Wunde zwischen den Augenbrauen wird erwähnt und eine Schußverletzung durch eine Kugel, die zum linken Ohr hinein und durch die rechte Kopfseite wieder ausgetreten sei. Und nur von diesem Kopf ist die Totenmaske überliefert. Es wird ein Protokoll verfaßt, das die Identität des Toten mit Schill dokumentieren soll. Oberstabsarzt Genoux trennt der Leiche das Haupt ab,um es König Jérôme nach Kassel zu senden. Zuvor bekommt noch Schills Regimentsarzt Wittig den Kopf zu sehen. Der erkennt ihn sofort, sagt aber später eindeutig: “ Derselbe war von einer Kugel durchbohrt, die hinten eingedrungen und an der Stirn wieder herausgefahren war. Sonstige frische Wunden hatte er gar nicht, namentlich keinen Säbelhieb über die Stirn … “ Schills Haupt, in ein mit Spiritus gefülltes Glas gesetzt, wurde von Jérôme später der Naturhistorischen Präparatensammlung der holländischen Universität Leyden übergeben. Erst 1837 konnte es im Braunschweiger Mausoleum neben den Gebeinen seiner 14 erschossenen Kameraden beigesetzt werden. Seinen Körper hatte man schon in der Regennacht zum 2.6.1809 heimlich auf dem Stralsunder Friedhof am Knieper Tor auf ausdrücklichen Befehl

Verscharrt wie einen Hund “.

Dokumentarbericht von Rolf Pfeiffer

“ Magna voluisse magnum “ - Großes gewollt zu haben, ist groß !!!!!!!!!!!!!!!!!!